Der kleine weiße Roboterkopf dreht sich leicht zur Tafel und beginnt zu blinken. Deutschlehrerin Claudia Schramm hat gerade die 10a der Wilhelm-Focke-Oberschule nach Beispielen für Konjunktionen gefragt. Sie ruft Linus auf und kurz drauf ertönt eine klar zu hörende Stimme aus dem Roboter. „Zum Beispiel dann, wenn, und, oder, …“
Linus (16) nimmt mit einem Schulavatar am Unterricht teil. Aufgrund einer schweren Erkrankung kann er körperlich nicht im Klassenraum anwesend sein. Der Schulavatar, ein sogenannter Telepräsenzroboter, steht an Linus Platz und baut eine Videokonferenz zu ihm auf. Über Raummikrofone kann er alles hören, was in der Klasse gesprochen wird und mit Hilfe der Kamera, die in der Stirn des Avatars verbaut ist, kann er verfolgen, was in der Klasse passiert. Linus bedient den Avatar aus dem Bett im Klinikum Bremen Mitte mit seinem schulischen iPad. Er kann den Kopf des Avatars heben und senken und den ganzen Avatar um 360° drehen. So behält er gut den Überblick über das Geschehen in der Klasse. Der Avatar hat Augen in Form von LEDs, über die Linus Gefühle ausdrücken kann. Wenn er sich melden möchte, beginnt der Kopf zu blinken, wenn er seine Ruhe haben und passiv bleiben will, kann er den Kopf blau leuchten lassen.
Am besten findet Linus, dass seine Mitschüler ihn auch mit in die Pause nehmen dürfen. Sollte auf dem Pausenhof die WLAN-Verbindung einmal abreißen, hat der Schulavatar die Möglichkeit, sich über das Mobilfunknetz zu verbinden.
Durch den Avatar ist Linus immer in der Klasse präsent und er kann direkt mit Schülern und Lehrkräften interagieren. Durch den Avatar, der während er verbunden ist geradezu lebendig wirkt, hat man, anders als bei einer herkömmlichen Videokonferenz, nicht den Eindruck der räumlichen Trennung. Ein Effekt, den man erst richtig versteht, wenn man den Schulavatar einmal in Aktion gesehen hat. Linus ist jedenfalls begeistert (s. Video).
Die Krankenhausschule Bremen hat für eine erste Erprobung der Schulavatare zwei dieser Roboterköpfe angeschafft. Sie sollen den erkrankten Schülerinnen und Schülern möglichst viel Teilhabe am normalen Leben ermöglichen. Linus ist nun einer der ersten Schüler, die den Avatar nutzen. „Fast noch wichtiger als die Teilnahme am Unterricht ist, dass der Avatar es unseren Schülerinnen und Schülern ermöglicht, den sozialen Kontakt zu den Mitschülern zu halten“, sagt die Leiterin der Krankenhausschule, Carmen Bergedick. Das sieht Katrin Börger, Klassenlehrerin der 10a an der WFO, ähnlich: „Mit dem Avatar fällt es viel leichter, dass Linus ein selbstverständlicher Teil der Klassengemeinschaft bleibt.“ Am kommenden Freitag macht die Klasse einen Ausflug ins Focke-Museum. Linus wird mit dem Avatar dabei sein.
Text: André Sebastiani